Trauben aus Südafrika zu kaufen war in den 1980er Jahren aufgrund der sehr erfolgreichen Früchteboykott-Kampagne der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland für politisch denkende und engagierte Menschen ein Ding der Unmöglichkeit. Die Frauen informierten über die Lage der schwarzen Bevölkerung unter dem immer rigider werdenden Apartheidsystem und forderten die KonsumentInnen auf, keine Produkte aus Südafrika mehr zu kaufen, da dies das herrschende Unrechtssystem verfestigen würde. Mit Rückhalt aus der südafrikanischen Anti-Apartheid-Bewegung, mit viel Sachverstand und großem persönlichen Engagement stellten sie eine kritische Öffentlichkeit her wie keine andere Solidaritätsbewegung. Gerade weil viele von ihnen „einfache“ Hausfrauen waren, die dem Unrecht nicht länger tatenlos zusehen wollten, fanden sie Gehör. Und sie hielten durch, bis 1994 mit Nelson Mandela der erste schwarze Präsident sein Amt übernahm und „ein besseres Leben für alle“ versprach.
Zwei Jahre später wurde die KASA gegründet mit dem Auftrag, sich für sozioökonomische Gerechtigkeit im Südlichen Afrika einzusetzen. Viele hatten begriffen – und dazu zählten auch die „Boykott-Frauen“ –, dass es Anstrengungen auf verschiedenen Ebenen bedarf, um die Abschaffung der politischen Apartheid in die Verbesserung der Lebensbedingungen für die Mehrheit der Südafrikaner umzumünzen. Wie recht die InitiatorInnen der KASA hatten, zeigt sich am Schicksal der Farmarbeiter überdeutlich. Ihre materielle Lebenssituation hat sich bis heute nicht verbessert, die Apartheidgeografie zwingt sie weiterhin dazu, in den elenden Townships unter menschenunwürdigen Bedingungen zu leben, ohne jede Hoffnung, dass ihre harte Arbeit es ihren Kindern ermöglichen könnte, aus diesem Elend auszubrechen: zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben. Noch erschreckender ist jedoch, dass selbst die politische Apartheid in diesem Touristenparadies nach wie vor alltäglich ist. Davon sprechen die Farmarbeiter, die hier zu Wort kommen, überdeutlich. „Umso mehr entsetzt mich dass nach so vielen Jahren wohl noch auf den meisten Farmen die alten unterdrückerischen Methoden genützt werden wie zu Apartheidzeiten , auch durch eine angeblich liberale Regierungschefin in der Kapprovinz unterstützt,“ meint Ursula Trautwein, eine der Boykottfrauen der ersten Stunde. Keiner hörte hin, keiner hörte zu, weder die lokale Regierung noch die internationale Presse. Inspiriert durch den Streik der Minenarbeiter von Marikana haben nun auch die Farbarbeiter öffentlichkeitswirksame Protestaktionen organisiert, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.
Die KASA hatte, gemeinsam mit der in die Streiks involvierten Organisation TCOE (Trust for Community Outreach and Education) bereits 2006 eine Wanderausstellung zu den Lebensbedingungen der Land- und Farmarbeiter nach Deutschland geholt. Viel hat sich seither nicht verändert – um so wichtiger, das Thema wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Dazu will diese Publikation einen Beitrag leisten.
Vorwort von Simone Knapp zu der Christian Selz erstellten und von der KASA herausgegebenen Studie
Bibliographische Angaben:
Selz, Christian (2013): Aufstand im Paradies. Südafrikas Farmarbeiter kämpfen gegen Hungerlöhne und für bessere Lebensbedingungen. Redaktion: Simone Knapp. KASA – Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika: Heidelberg, Februar 2013, 22 S.