Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika

Die Pandemie in einer absoluten Monarchie

Obwohl es bis Ende März nur neun gemeldete Corona-Fälle und keine Tote zu beklagen waren, rief König Mswati III., der absolute Monarch von Swasiland/eSwatini, am 17. März 2020 den Ausnahmezustand und einen teilweisen Lockdown aus, um das Virus einzudämmen. Damit wurden öffentliche Aktivitäten ausgesetzt, die meisten „nicht systemrelevanten“ Geschäfte sowie Bildungseinrichtungen geschlossen und ein Reiseverbot verhängt. Dies bedeutete gleichzeitig, dass bürgerliche Freiheiten eingeschränkt wurden. Polizei, Armee und andere Sicherheitskräfte setzen die Vorschriften ähnlich rigoros durch wie in den Nachbarländern und immer wieder werden Vorwürfe von Verletzung von Menschen- und Bürger*innenrechten laut.

Anfang April wurden die Maßnahmen gelockert, nur um sie Mitte des Monats wieder zu verschärfen und einen fast vollständigen Lockdown für weitere 21 Tage auszurufen. Diese sollen nun bis 19. Juni 2020 gelten.

Dieses Hin und Her der Regierung bei den Verordnungen in der Zeit zwischen März und Mitte April sorgten für extreme Verwirrung bei den Menschen darüber, was jeweils die Verordnungen für sie konkret bedeuten und führte immer wieder zu Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften.

Verletzung von Menschen- und Bürger*innenrechten

Schon früh wurde klar, dass sich dieser Lockdown negativ auf die sowieso schon sehr bedrohte Pressefreiheit im Land auswirken würde. Kurz vor dem Ausbruch von COVID-19 veröffentlichte Reporter ohne Grenzen den World Press Freedom Index, in dem sie  das Königreich als eine "absolute Monarchie“ beschrieben, „die Journalist*innen an der freien Arbeit hindert… Kein Gericht darf Mitglieder der Regierung strafrechtlich verfolgen oder vor Gericht stellen, aber jede Kritik am Regime kann Gegenstand einer Strafverfolgung sein. Weit davon entfernt, ein unabhängiger Beschützer von Rechten und Freiheiten zu sein, wird das Justizsystem häufig dazu benutzt, den Journalismus zu untergraben. Eine allgegenwärtige Geheimhaltungsbesessenheit erschwert den Zugang zu Informationen, und der Staat übt die totale Kontrolle über die Medien aus.“[1]

Und so verwunderte es nicht, dass zwei Herausgeber von Online-Publikation, Zweli Martin Dlamini und Eugene Dube, sich derzeit außer Landes befinden, da sie um ihr Leben fürchten. Dlamini hatte wiederholt am Anfang des Lockdown Vermutungen angestellt, dass der König infiziert sein könnt, da er sich für eine gewisse Zeit nicht mehr öffentlich gezeigt hatte. Selbst solche Äußerungen können als Volksverhetzung deklariert und strafrechtlich verfolgt werden.

Zwei Anführer der verbotenen Jugendpartei (SWAYOCO) wurden verhaftet und angeblich später wieder freigelassen, ohne dass eine eindeutige Anklage gegen sie erhoben worden wäre. Ncamiso Ngcamphalala, Präsident der Swaziland Economic Freedom Fighters (EFF), wurde ebenfalls verhaftet, nachdem er in einem Nachrichtenbericht mit Kritik an König Mswati III. zitiert worden war: „Wir wollen, dass die Regierung das Leben der Menschen verändert, die swasiländische Monarchie muss ihren Platz kennen. Wir respektieren den König, aber Respekt wird verdient, und wenn wir in eine Ecke gedrängt werden, sind wir gezwungen, Vergeltung zu üben. Wir rechtfertigen uns nicht dafür, dass wir für eine Mehrparteiendemokratie eintreten.“[2]

Aber auch normale Bürger*innen werden Opfer von Menschenrechtsverletzungen von Seiten der Sicherheitskräfte. So starb etwa eine alte Frau in ihrem Haus, das von der Polizei durchsucht worden war. Es wurde Alkohol, der während des Lockdown verboten ist, bei ihr gesucht. Ein Kind wurde von einem einzelnen Polizisten angeschossen, während er mit Freunden Fußball spielte. Eine andere Frau wurde auf der Straße zusammengeschlagen, als sie auf der Suchen nach etwas Essbarem für ihre Kinder war. Die Liste ließe sich beliebig weiterschreiben.

Die humanitäre Situation

Der informelle Sektor im Land trägt etwa mit 53,4 Prozent zum BIP bei. Die Arbeitslosenquote lag schon vor der Corona-Krise über 28 Prozent. Schätzungsweise 63 Prozent, also etwa 750.000 Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Gerade sie sind von der Krise besonders betroffen. Spätestens seit dem 24. April, als die Regierung einen erweiterten Lockdown anordnete, kann also die Mehrheit der Menschen ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen: Straßenhändler*innen dürfen nicht mehr verkaufen, Märkte sind geschlossen und durch die Schließung der Grenzen kommt auch kein Nachschub an Ware aus Südafrika. In den Familien sind mehr Menschen als gewöhnlich, weil viele der Wanderarbeiter aus den Minen kurz vor Schließung der Grenzen noch nach Hause kamen. Unklar ist, ob die Minengesellschaften ihre Löhne weiter bezahlen. Vor allem jetzt, da die Minen teilweise wieder arbeiten, die Wanderarbeiter aber aufgrund der geschlossenen Grenzen gar nicht in der Lage sind, zu ihren Arbeitsplätzen zurück zu kehren. Darüber hinaus sind gerade sie nicht direkt bei den großen Minengesellschaften angestellt, sondern über Kontraktfirmen mit befristeten Verträgen. Durch die Schließung der Schulen fällt auch das Mittagessen für die Kinder in der Schule weg, das muss ebenfalls in den Familien kompensiert werden.

Mit dem Lockdown und der Schließung vieler Unternehmen, die nicht systemrelevant sind – wie etwa die Textilindustrie – haben inzwischen rund 8000 Menschen ihren Job verloren. Sie haben zwar die Zusage, ihn nach Ende der Krise wieder zu bekommen, doch in der Zwischenzeit erhalten sie keinen Lohn. Das hat zur Folge, dass in einigen größeren Städten Familien auf die Straße gesetzt wurden, weil sie ihre Miete nicht bezahlen können.

„Wir sterben eher am Hunger als am Corona-Virus“,[3] ist allenthalben zu hören.

Bereits am 22. April 2020 versprach Premierminister Dlamini, die Regierung würde innerhalb der nächsten zwei Wochen an 300.000 Bedürftige Lebensmittelpakete verteilen. Dies würde noch nicht mal die  Hälfte derjenigen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, abdecken. Und die Regierung stellte klar, dass die Pakete nur an Bedürftige außerhalb der Städte gehen würden. Auch nach Ablauf der 14 Tage hat noch keine Familie ein solches Lebensmittelpaket erhalten, denn der Plan wurde auf Eis gelegt, nachdem das Parlament sich geweigert hatte, einen Plan des stellvertretenden Premierministers Themba Masuku zu unterstützen, der Geld anstelle von Nahrungsmitteln verteilen wollte.

Ende Mai wurde dann bekannt, dass die Natie Kirsh Foundation eine Summe von 45 Millionen Emalangeni (2,3 Mio €) zur Verfügung stellt, damit 69000 Menschen in 11,000 Haushalten zunächst in zwei Regionen ein Cash Transfer erhalten sollen. Kirsh, der in Südafrika geboren wurde und in Swasiland lebt, ist mit einer Supermarktkette reich geworden. Jede begünstigte Familie soll E700 (36€) elektronisch überwiesen bekommen. Von jedem Haushalt wird erwartet, dass er  das Geld für Lebensmittel seiner Wahl ausgibt. Unklar ist allerdings, nach welchen Kriterien die Familien ausgesucht werden. Die Registrierung für die Lebensmittelpakete, die ursprünglich die Regierung verteilen wollte, verlief chaotisch, weil Menschen abgewiesen wurden. Andere berichteten, dass ihnen für die Registrierung E50 (2,60€) in Rechnung gestellt wurden. Dies entspricht in etwa der Summe, von der in normalen Zeiten etwa zwei Drittel der Bevölkerung fast zwei Tag leben müssen.

Einmal mehr wird in Swasiland/eSwatini deutlich, wie unmöglich die Durchsetzung eines Lockdown wegen einer Pandemie ist, die noch vergleichsweise wenig Fuß in der Region gefasst hat. Immer noch stirbt jedeR Zehnte (von 100.000) jährlich an TB, das hochansteckend aber heilbar ist. Doch im Gegensatz zu TB, das vor allem die Minenarbeiter mit nach Hause bringen, sind von der COVID-19 Pandemie von Anfang an auch Reiche betroffen gewesen. Dies mag ein Grund für die rigiden Vorkehrungen sein. Ein anderer ist sicher, dass ein Notstand für ein undemokratisches System immer eine gute Möglichkeit ist, massiv gegen Opposition, gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und gegen die Presse vorzugehen. Während die Weltöffentlichkeit auf die Fallzahlen von COVID-19 starrt, werden die wirklichen Opfer von Menschenrechtsverletzungen und heilbaren Krankheiten wie TB in Ländern wie Swasiland/eSwatini übersehen.

[1] https://rsf.org/en/eswatini

[2] https://allafrica.com/stories/202005040434.html

[3] https://www.dailymaverick.co.za/article/2020-05-05-hunger-mounts-as-kingdoms-economy-is-destroyed/