Um es mit dem beliebtesten Zitat aus „Dinner for one“ zu sagen: das Procedere, der Ausgang der Wahlen in Simbabwe hat wohl niemand überrascht. Und doch ist es jedes Mal anders. Bereits im Vorfeld sind die simbabwische Zivilgesellschaft und Teile der internationalen Gemeinschaft bemüht, auf die ausstehenden Reformen, die die Wahlbeobachter:innen aus den vorhergehenden Wahlen angemahnt haben, hinzuweisen. Denn nur damit seien frei und faire Wahlen möglich. Prof. Brian Raftopoulos hat in einer Veranstaltung von CPLO[1] darauf hingewiesen, dass dies die schlimmste Wahl seit 1980 gewesen sei, weil der demokratische Spielraum seit dem Coup von 2017 immer mehr eingeschränkt worden sei und man inzwischen von einem autoritären Regime sprechen könne. Dabei sei die Demokratie nicht nur in Simbabwe in einer Krise, es handle sich um ein globales Phänomen.
Der systematische Versuch, die Demokratie zu zerstören, beinhaltet die Beeinflussung der Justiz, in dem ZANU-PF-Getreue Richterpositionen erhalten, und die Opposition kontrolliert und infiltriert wird. Ein sogenannter Nationaler Dialog wird nur mit ausgewählten Gruppen geführt. Die verbliebene Opposition wird verfolgt, Wahlveranstaltungen werden verhindert und Gesetze auf den Weg gebracht, die die Zivilgesellschaft schon vor der Unterzeichnung in die Knie zwingen[2]. Laut Raftopoulos ist das derzeitige Regime weitaus restriktiver als das koloniale und nutzt Methoden aus der Zeit vor dem Befreiungskrieg, um die Macht zu erhalten.
Der Vorsitzende der People’s Patriotic Party, Zvaringeni Samuel Chasi, schrieb an den UN Generalsekretär Guterres, dass die derzeitige Situation in Simbabwe mit der Zeit zwischen 1979 und 1980 vergleichbar sei. Als Konsequenz boykottierte seine Partei daher die Wahlen.
Nicht so der populärste simbabwische Präsidentschaftskandidat Nelson Chamisa, dessen Aufstieg in der ehemals größten Oppositionspartei MDC nicht unumstritten war. 2022 gründete er kurzerhand eine neue Partei, die CCC: Citizens Coalition for Change. Böse Zungen behaupten, er hätte sich die drei Großbuchstaben nur deshalb gegeben, um sich selbst besser in den Mittelpunkt zu stellen, etwa Chamisa, Chamisa, Chamisa – oder Chamisa chete chete, was so viel bedeutet wie „der einzig wahre Chamisa“.
Wie bei diesem ungleichen Wahlkampf zu erwarten war, ist Präsident Mnangagwa mit 52,60 Prozent wiedergewählt worden. Sein Herausforderer Chamisa erhielt laut Wahlkommission 44,03 Prozent. Alle anderen Kandidat:innen sind weit abgeschlagen, selbst der Kandidat der „alten“ MDC hat weniger als 2 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können.
Bei den Parlamentswahlen ging die ZANU-PF ebenfalls als klare Siegerin hervor mit 176 der 280 Sitze. Die ZANU-PF hat ihr Ziel, im Parlament eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen verfehlt und damit auch die Chance, die Verfassung wieder zu ändern. Ein wichtiger Sieg der demokratischen Kräfte in Simbabwe war die Verfassungsreform von 2013, denn damit ist Mnangagwa nun der erste Präsident, der nach zwei Amtszeiten abtreten muss. Da CCC 103 Sitze innehat, einer aufgrund eines verstorbenen Kandidaten unbesetzt bleibt, gibt es keine weitere Opposition im Parlament. Die Kandidat:innen der CCC fürdas Parlament konnten dieses Ergebnis quasi aus dem Stand erreichen und mit rein privaten Mitteln, denn die Partei hatte sämtliche finanziellen Ressourcen auf die Präsidentschaftswahlen vereint.
Jetzt sitzen also CCC-Abgeordnete, die viel privates Vermögen für den Wahlkampf ausgegeben haben, im Parlament. Sie sind Teil des Systems, das sie bekämpfen wollen, genießen Privilegien, haben ein gesichertes Einkommen für die nächsten fünf Jahre. Unklar ist, wofür sie stehen, außer für sich selbst, denn das Parteiprogramm wurde erst Anfang August veröffentlicht. Dr. Justice Mavedzenge weist in derselben Veranstaltung von CPLO darauf hin, dass Simbabwe derzeit nur einen starken Man, nicht aber eine starke Opposition habe. Wo sind die Denker der Partei? Etwa Tendai Biti, der bereits Finanzminister in der Koalitionsregierung bis 2013 war, oder der Rechtsanwalt Welshman Ncube?
Erstaunlich schnell hatte die Wahlkommission ZEC das Wahlergebnis bekannt gegeben und Mnangagwa zum Sieger ernannt. Damit war auch klar, dass es keinerlei Interesse an einer Koalitionsregierung wie 2009 gab, die damals unter anderem auf Druck der SADC zustande gekommen war. Chamisa hatte zwar kurz erwägt, juristische Maßnahmen gegen die Wahl zu ergreifen. Doch angesichts der parteiischen Justiz kann er sich nicht wirklich etwas daraus erhoffen. Daher ging sein Appell an die SADC, diese Wahlen nicht anzuerkennen. Diese war in ihrem vorläufigen Bericht auch sehr kritisch – zum ersten Mal überhaupt. Grund dafür war, dass der Vorsitzende der SADC Troika[3], der sambische Präsident Hakainde Hichilema, der ZANU-PF gegenüber keine Loyalität verspürt und einer der wenigen demokratischen Kräfte in der Region ist. Ob auch der finale Bericht diese Schärfe beinhaltet, ist abzuwarten, denn die Amtseinführung zeigte bereits, wie gespalten die SADC in dieser Frage ist. Obwohl Mnangagwa 69 Einladungen an amtierende und ehemalige Staatsoberhäupter verschickt hatte, kamen nur drei regionale Präsidenten zu seiner Inauguration am 4. September: Cyril Ramaphosa (Südafrika), Phillipe Nyusi (Mosambik) und Felix Tshisekedi (DR Kongo). Hichilema hingegen, blieb der Zeremonie fern. Und selbst Länder wie Äquatorialguinea, Angola und Ruanda, die freundschaftliche Beziehungen zur Regierungspartei Zanu-PF unterhalten, schickten Junior-Diplomat:innen. Dies sei, so interpretierte der Sprecher der CCC, ein Zeichen für die zunehmende Isolierung von Mnangagwa. „Wir werden weiterhin politischen und diplomatischen Druck ausüben, bis unsere Stimme zählt", so Mkwananzi. Ob das tatsächlich der Grund ist, wird sich zeigen. Sicher wird Südafrika, das im Frühjahr 2024 wählt, seinen Einfluss auf den Endbericht der Wahlbeobachtung geltend machen. Verkehrsminister Mbalula hatte schon frühzeitig Mnangagwa zu seiner Wahl auf der Online-Plattform X gratuliert und damit klargestellt, wo der ANC steht.
Keines der Beobachtungsteams hat die Wahl als frei und fair bezeichnet. Nach Ansicht der SADC entsprachen die Wahlen nicht den Grundsätzen und Leitlinien für die Durchführung demokratischer Wahlen. Die EU Wahlbeobachtungsmission kam zu dem Schluss, dass die eingeschränkten Rechte und das Fehlen gleicher Wettbewerbsbedingungen zu einem Umfeld geführt haben, das für die Wähler:innen nicht immer förderlich gewesen sei, eine freie und informierte Wahlentscheidung zu treffen. Beide monieren konkret die Einschüchterung der Wähler:innen, einseitige staatliche Medien sowie den Versuch, Menschen an der Wahl zu hindern. Explizit erwähnt wurde im vorläufigen Bericht der SADC auch der Zustand der Wahlkommission ZEC, die damit verbundenen logistischen Probleme am Wahltag und die problematische Rolle der Forever Associates of Zimbabwe FAZ, einer der Regierungspartei nahen Organisation. Auch Wahlbeobachter:innen der AU erklärten, sie hätten Bedenken gegenüber der FAZ, die Tische in den Wahllokalen aufgestellt und Daten von Wähler:innen aufnahmen, ohne dafür ein Mandat zu haben. Der Leiter der Mission der Afrikanischen Union, der ehemalige nigerianische Präsident Goodluck Jonathan, sagte, die Aktivitäten der FAZ sollten als "kriminelle Vergehen" eingestuft werden.
Wie gesagt, es ist fraglich, ob sich Sambia mit seinem derzeitigen demokratischen Kurs in der Region durchsetzen kann, denn in den Nachbarländern herrschen nach wie vor ehemalige Befreiungsbewegung, die an der Macht festhalten. Zusätzlich enthalten die Berichte der Wahlbeobachtungen reine Empfehlungen, die von der Regierung angenommen - oder wie in den vergangenen Jahren, im besten Falle hinausgezögert oder eben einfach abgelehnt werden können. Mnangagwa hat dies bereits in seiner Antrittsrede angedeutet, in dem er auf die Souveränität seines Landes hingewiesen hat: „Wir haben bewiesen, dass wir eine reife Demokratie sind…[und] als souveräner Staat appellieren wir weiterhin an alle unsere Gäste, unsere nationalen Institutionen zu respektieren". Ein altbekanntes Totschlagargument. Prof. Raftopoulos betont, dass die Rhetorik der eigenen demokratischen Werte in krassem Gegensatz zu deren realer Umsetzung einerseits und dem anti-imperialistischen Gehabe gegenüber ehemaligen Kolonialmächten stehe. Dies sagt nichts über die tatsächlichen und unbestrittenen neo-liberalen Absichten der westlichen Mächte aus, jedoch viel über den Machthunger der ehemaligen Befreiungskämpfer:innen. Es geht hier und dort um den Zugang zu Ressourcen. Auch Simbabwe hat ein hohes Potential im Lithiumabbau, weshalb sowohl die großen Player in der Region wie Südafrika als auch die ehemaligen Kolonialmächte ein großes Interesse an stabilen Machtstrukturen haben. Und das bedeutet in diesem Fall auf Kosten von Menschenrechten und Demokratie an den autokratischen Regimen festzuhalten, die man kennt, und keine Wagnisse einzugehen. Dass Südafrika der ZANU-PF Regierung zur Seite steht und ihre „stille Diplomatie“ nicht für eine Debatte um eine weitere Koalitionsregierung nutzt, die für die Menschen in Simbabwe durchaus eine Erholungsphase war, ist besonders irritierend angesichts der dramatischen Auswirkungen auf die Lage der simbabwischen Migrant:innen in Südafrika. Immer wieder sind sie auch hier Gewaltexzessen ausgesetzt. Doch diese Krise scheint für die Machthabenden in Südafrika vernachlässigbar angesichts der Zugriffe auf Rohstoffe im Nachbarland.
Die eigentlichen Verlierer:innen der Wahl sind die Menschen in Simbabwe, die wieder einmalihrer Hoffnung auf Veränderung beraubt worden sind, die wieder zu hoffen gewagt hatten, da es sich um eine echte Wahlmöglichkeit und nicht eine weitere Scharade handeln würde. „Wir sind,“ so drückt es Dr. Mavedzenge aus, „Gefangene der Hoffnung.“
[1] The 2023 Zimbabwean elections: local and regional implications. Hybrid 8.9.23
[2] Siehe dazu ausführlich https://www.kasa.de/arbeitsbereiche-der-kasa/simbabwe/
[3] die Troika besteht aus dem derzeitigen Vorsitzenden (Sambia) sowie seinem Vorgänger (Namibia) und seiner Nachfolgerin (Tansania).