Das Zimbabwe Netzwerk ist eine der wenigen noch aktiven Solidaritätsnetzwerke zum südlichen Afrika. Während etwa die Anti-Apartheidbewegungen zu Südafrika mit der ersten demokratischen Wahl 1994 endeten oder die meisten nachfolgenden Organisationen in den Folgejahren sich auflösten, ist das Netzwerk zu Simbabwe bis heute aktiv. Grund genug, zum Jubiläum zurückzuschauen und gleichzeitig mutig, daraus eine Publikation zu machen. Denn die Frage drängt sich auf: wen interessiert dies außer denjenigen, die in den letzten 40 Jahren Teil dieser Bewegung waren? Was ist ihr Mehrwert?
Der vorliegende Sammelband wurde von Prof. Dr. Henning Melber, selbst in Namibia aufgewachsen, herausgegeben und vereint sehr persönliche Berichte mit Bezug entweder zum Zimbabwe Netzwerk oder zum Land allgemein mit Stimmen aus Simbabwe und mit zum Teil sehr detaillierten Rückschauen auf die Arbeit und Arbeitsschwerpunkte des Netzwerkes. Die Qualität der Artikel ist dabei sehr unterschiedlich und reicht von der exzellenten Einführung Melbers, der die Solidaritätsarbeit des Netzwerks in einen größeren Rahmen und politischen Kontext stellt, bis hin zu einer sehr persönlichen politischen Einschätzung von Bernward Causemann, dessen Beitrag ohne solide Kenntnis Simbabwes nur schwer einzuordnen ist. Die persönlichen Erfahrungen und Erzählungen stehen zum Teil ohne direkten Bezug zum Netzwerk im Sammelband, wie etwa der Artikel von Roger Southall. Hier wäre ein Mehrwert entstanden, wenn etwa die historischen Beziehungen verschiedener Solidaritätsbewegungen und deren Kontakte untereinander beleuchtet und aufeinander bezogen worden wären. Die Aufarbeitung der Aktivitäten und Diskussionslinien des Netzwerkes, die im Band deutlich gegenüber den Analysen und vor allem der Perspektiven überwiegt, zeugt von den vielen Spannungen innerhalb der Solidaritätsbewegung, die sie oft daran hinderte, wirklich schlagkräftig zu sein. So begann schon bald nach der Unabhängigkeit im Jahr 1980 ein Disput über die Frage nach unbedingter Solidarität gegenüber den neuen Machthabenden der ZANU-PF angesichts der Menschenrechtsverletzungen der ehemaligen Befreiungsbewegung. Es war ein Disput, der nicht nur für das Zimbabwe Netzwerk relevant war und nicht nur dort für Spannungen gesorgt hat. Aus heutiger Sicht erscheint es selbstverständlich, dass Solidarität sich auf Menschen und nicht auf Parteien, Organisationen oder Strukturen beziehen muss und nicht gleichzusetzen ist mit Loyalität. Diese Verschiebung zeigt auch, wie wichtig eine Erweiterung oder Schärfung des Begriffs Solidarität ist, die im Beitrag von Melber angesprochen, in den weiteren Artikeln aber kaum Widerhall findet. Die offene Debatte darüber ist nicht nur essenziell für die Beteiligten von damals, sondern auch für die nachfolgende Generation von Aktivist*innen, um die Zeit und die Motivation der Menschen damals besser zu verstehen und einordnen zu können.
Die minutiöse Aufarbeitung der Arbeit des Netzwerks ist, wenn sie auch für Leser*innen, die nicht Teil dieser Geschichte sind, zunächst weniger spannend erscheint, die große Leistung dieses Bandes. Er dokumentiert Geschichte aus einer anderen Perspektive als der der Machthabenden sowohl auf deutscher als auch auf simbabwischer Seite, würdigt jahrzehntelanges Engagement einzelner Personen, zeigt ihre persönliche Entwicklung und Entfaltung durch diese Arbeit, benennt Erfolge und Niederlagen – und ist gerade dadurch für Außenstehende eine spannende Lektüre. Der Band hätte sicher noch gewonnen, wenn auch den Perspektiven eine ebensolche Gewichtung zuteilgeworden wäre.
Henning Melber (Hg.): Solidarität mit Zimbabwe. 40 Jahre Zimbabwe Netzwerk: Geschichte, Analysen, Perspektiven. Brandes & Apsel Verlag, Frankfurt 2024, 215 Seiten, 29,90 Euro.